Mimik-Barriere: Kulturelle Unterschiede bei Gesichtsausdrücken
Wie und wo wir aufwachsen bestimmt viele Aspekte unseres Lebens, insbesondere die Kommunikation mit anderen Menschen. Auf der Grundlage dessen, was der Mensch sieht und hört werden Gefühle unserer Gesprächspartner gedeutet – wie diese Gefühle gedeutet werden, hängt demnach auch davon ab, welchem kulturellen Hintergrund der Einzelne entspringt, sodass es hier nicht selten zu großen Unterschiedenen kommen kann.
Im Normalfall reicht ein Blick in das Gesicht unseres Gegenübers und schon kann das aktuelle Befinden präzise gedeutet werden – doch ist das wirklich so einfach? Was wäre, wenn andere Kulturen ihre Gefühlslage durch andere Gesichtsausdrücke nach außen transportieren? Ist es wirklich so einfach hier zu standardisieren? Dieser Frage ging eine Expertengruppe im Rahmen einer Studie nach.
Die Ergebnisse stellen all das auf den Kopf, was wir über Gesichtsausdrücke zu wissen glaubten:
- Die Annahme, dass der Gesichtsausdruck bei einer bestimmten Emotion überall auf der Welt dieselbe ist, ist schlichtweg falsch.
- Emotionale Gesichtsausdrücke sind stark mit dem Herkunftsland und dessen Kultur verknüpft.
- Dasselbe gilt für die Sprache: Auch hier gehen die „Meinungen“, welche Emotionen hinter dem Gesprochenen liegen (ohne ein Gesicht zu sehen), abhängig vom kulturellen Hintergrund stark auseinander.
Die Gründe dafür sind ganz eindeutig: Sprachen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Vokabulars, sondern auch in puncto Ton. Arabisch beispielsweise hört sich für Europäer grundsätzlich aggressiv an. Deutsch wiederum empfinden die Franzosen, deren Sprache sehr weich und melodisch ist, als sehr hart und „abgehakt“. Warum sollte es also bei Gesichtsausdrücken, die Emotionen wiedergeben anders sein?
Je unterschiedlicher die Kultur, desto unterschiedlicher die „Deutung“
In einem ganz konkreten Experiment einer US-amerikanischen Psychologin wurde den Probanden ein Mix aus Gesichtsausdrücken präsentiert, die in fünf unterschiedliche Stapel sortiert und benannt werden sollten. Die erste Gruppe beinhaltete US-Bürger, die zweite Gruppe ein Bergvolk aus Namibia:
- Die US-Amerikaner konnten die Bilder schnell in Kategorien, wie Lächeln, Neutral oder Ängstlich einteilen.
- Die Entscheidung für die Namibier war sehr viel schwerer. Häufig wurden die Bilder eher anhand dessen bewertet, was sie sahen, nicht was der abgebildete Mensch fühlt, also beispielsweise „Zähnezeigen“, statt Wut.
Die Bewertungen der Namibianischen Studienteilnehmer zeigt also ganz klar, dass Gesichtsausdrücke nicht auf der ganzen Welt dasselbe bedeuten müssen. Allerdings fehlte bei dieser Studie ein ganz entscheidender Punkt: der Kontext. Der Gesichtsausdruck allein gibt dem Gegenüber zu wenig Informationen über den mentalen Status des Anderen. In Kombination mit der Körpersprache sind sehr viel genauere Rückschlüsse möglich, was ein bestimmter Gesichtsausdruck wirklich bedeutet.
Der Gesichtsausdruck im Gesamtkontext
Betrachtet man den Ausdruck im Gesicht eines Menschen allein, sind schnell Trugschlüsse möglich. Trauer, Wut, Erleichterung oder Schmerz können oft sehr ähnliche Formen annehmen. Denken wir beispielsweise an jemanden, der gerade einen großen Erfolg verbuchen kann und die Freude darüber mit aller Kraft herausschreit, sieht das Gesicht mitunter schmerzverzerrt aus – doch in Wirklichkeit ist es Freude.
Das sehen wir an der Körpersprache, den nach oben gereckten Fäusten oder anderen körperlich ausgedrückten Emotionen, die im Gesicht nicht erkennbar sind. Die Folge: Eine alleinige Betrachtung des Gesichts (wie sie in der oben genannten Studie genutzt wurden) führt häufig zu Fehlinterpretationen.
Der springende Punkt ist also: Verschiedene Formen von Emotionen sind nicht eindeutig voneinander abgrenzbar und gehen fließend ineinander über. Kulturelle Unterschiede erschweren die Deutung des Gemütszustandes zusätzlich, da Emotionen unterschiedlich ausgedrückt werden – das kann durchaus sehr verwirrend sein.
Da die Welt immer mehr zusammenwächst, ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen. Vor allem im Businessbereich, in dem Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammenkommen und -arbeiten ist das von großem Nutzen. Nicht nur, um im Gesicht des Gegenübers deuten zu können, ob ihm oder ihr der Geschäftsvorschlag gefällt, sonder auch um im Team die besten gemeinsamen Ideen zu entwickeln. Und wer oft auch privat ins Ausland reist, hat bei Gesprächen mit den Einheimischen gleich einen entscheidenden Vorteil.